Eine wesentliche Kernaussage zur Therapie bei ME/CFS bzw. dem ME/CFS-Typ von Long Covid ist vor kurzem als Titel einer Korrespondenz in Nature Reviews Cardiology erschienen: „Graded exercise therapy should not be recommended for patients with post-exertional malaise„.
Kurz: keine GET bei ME/CFS.
Keine Empfehlung von Graded Exercise Therapy bei Post Exertional Malaise
Diese Korrespondenz war eine Reaktion auf einen ansonsten wirklich guten Artikel über kardiovaskuläre Dysautonomie. Dieser behandelte auch das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS) im Kontext von Long Covid.
Neben sehr vielen extrem hilfreichen diagnostischen und therapeutischen Hinweisen – und auch unter Bezugnahme auf ME/CFS – hatte dieses Review aber einen sehr bedeutsamen Schönheitsfehler. Es empfahl beim Vorliegen von Post Exertional Malaise (PEM) eine Behandlung mit Graded Exercise Therapy (GET). Dabei zitierte man das PACE-Trial.
Dies widerspricht klar den relevanten Leitlinien, die GET bei ME/CFS klar nicht empfehlen, wie zum Beispiel jene von NICE.
Auf Initiative von Dr. van Rhijn-Brouwer, und gemeinsam mit einigen anderen Kolleg*innen, wurde dazu eine Korrespondenz verfasst, die nun ebenfalls veröffentlicht wurde.
Keine GET bei ME/CFS
Das Problem bei GET ist, dass eine Steigerung der Aktivität nicht zwingend entsprechend den individuellen Leistungsgrenzen erfolgt. Das erhöht die Gefahr von PEM. Patient*innen berichten davon, leider wird es aber weiterhin oft nicht beachtet.
Dass Überanstrengung bei ME/CFS zu einer Verschlechterung führt, wurde in Studien oft gezeigt. Bei einer Ergometrie, die innerhalb von 24 Stunden wiederholt wird, ist die Leistungsfähigkeit bei Vorliegen von ME/CFS am zweiten Tag deutlich schlechter.
Es gibt dazu auch einige im Experiment messbare Auffälligkeiten. Unter anderem eine sehr interessante aktuelle Studie zu Long Covid hat gezeigt, dass es auch im Muskel zur Veränderungen kommt.
Generell ist Aktivierung bei Fatigue, also Erschöpfung, die bei vielen Erkrankungen vorkommt, gut. PEM ist aber eben keine „normale“ Erschöpfung. Dieses Detail ist nicht intuitiv und wird weiterhin oft übersehen.
Problem PACE
Deswegen ist auch der Bezug auf die PACE-Studie problematisch. Es wurde in dieser Studie der Effekt von GET und kognitiver Verhaltenstherapie auf ME/CFS getestet.
Neben vielen anderen Mängeln sind auch die damals verwendeten Diagnosekriterien veraltet. PEM war dort nicht zwingend notwendig. Somit ist anzunehmen, dass viele Proband*innen eingeschlossen waren, die nach heutigem Verständnis gar nicht ME/CFS hatten.