Die Frage, wie Viren und ME/CFS zusammenhängen, wird schon lange gestellt. Nicht nur deswegen, weil etwa 70% der Fälle im Anschluss an einen viralen Infekt auftreten.
Diskutiert wird dabei die Rolle von chronischen bzw. reaktivierten Virusinfektionen. Zahlreiche Viren, beispielsweise aus der Familie der Herpesviren, können nämlich im Körper verbleiben.
Eine andere immer wieder aufgestellte Hypothese ist die Rolle von Enteroviren.
Viele Theorien zu Viren und ME/CFS wurden aufgestellt, wirklich ernst genommen wurde das Thema aber in der Medizin bisher aber leider nicht.
Wie können Viren zu ME/CFS führen?
Die große, bisher unbeantwortete, Frage ist, wie Viren zu ME/CFS führen können. Eine mögliche Rolle könnte spielen, dass Viren den Stoffwechsel der Zelle „kapern“. Eine Arbeitsgruppe um Bhupesh Prusty hat bei Reaktivierung von HHV-6 gezeigt, dass die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt ist.
Die gleiche Arbeitsgruppe konnte zuletzt in einer kleinen Studie nachweisen, dass HHV-6 bei ME/CFS auch in Nervengewebe zu finden ist.
In einer anderen Studie war der Nachweis von HHV-6 in einer PCR aus dem Speichel mit der Schwere von Symptomen verbunden.
Überlappungen zu Long Covid
Gerade der Nachweis aus dem Speichen scheint vielversprechend, da im Blut oft keine Hinweise zu finden sind. Eine Studie bei Menschen mit ME/CFS zeigte nach Infektion mit SARS-CoV-2 erhöhte Antikörper im Speichel für Epstein-Barr-Virus (EBV), HHV-6 sowie HERV-K.
Eine Studie bei Long Covid, wo ebenfalls aus dem Speichel eine PCR gemacht wurde, ergab eine mögliche Rolle von EBV. Die Möglichkeit einer für die Entstehung von Long Covid wesentlichen Rolle von EBV wurde auch in einer weiteren Studie aufgeworfen.
Viruspersistenz als Faktor
Ob eine Persistenz von Viren eine Rolle spielt, ist wie gesagt nach wie vor umstritten. Auftrieb hat diese Theorie aber durch Covid19 durchaus bekommen.
Erst vor kurzem konnte der Nachweis der RNA von SARS-CoV-2 auch Monate nach akuter Infektion in mehreren Geweben erbracht werden.
Bei einer Studie, wo Gewebeproben aus dem Darm genommen wurden, gab es einen Zusammenhang zwischen nachweisbarem SARS-CoV-2 Antigen und Long Covid-Symptomen.
Spannende Rolle von HERV
HERVs sind „humane endogene Retroviren“. Das sind uralte Retroviren, die ins menschliche Erbgut eingebaut sind. Durch Aktivierung dieser Retroviren könnte es zu Entzündung kommen.
Für Multiple Sklerose wurde die Überlegung aufgestellt, dass Reaktivierung von EBV zu einer Dysregulation von HERV führen könnte.
Ein Einfluß von HERV-W sowohl auf Schweregrad von akutem Covid19 als auch bei Long Covid wurde aufgeworfen. Eine Therapiestudie mit einem Medikament, dass gegen ein bestimmtes Hüllenprotein von HERV-W wirkt, ist am Laufen.
HERV bei ME/CFS
Auch bei ME/CFS könnten HERV eine Rolle spielen.
Ein anderes Retrovirus, XMRV, wurde in der Vergangenheit nachgewiesen, dies stellte sich dann aber letztendlich wohl als Laborverunreinigung heraus.
Insgesamt gibt es viele spannende Spuren, denen in den letzten Jahrzehnten nicht ausreichend nachgegangen wurde. Long Covid könnte hier endlich die Forschung anstoßen um so eine Therapie für die vielen Betroffenen zu finden.
