Was genau ist Long Covid?
Die schnelle Antwort auf die Frage, ob Long Covid psychosomatisch ist: nein.
Natürlich ist das sehr kurz gefasst. Das Problem ist weiterhin, dass Long Covid nicht sonderlich gut definiert ist.
Vor mehr als einem Jahr hat die WHO 3 Hauptsymptome definiert: Erschöpfung, Kurzatmigkeit, kognitive Probleme. Und diese Symptome müssen mindestens 4 Wochen nach der akuten Infektion noch vorhanden sein.
Große Unschärfe bei der Diagnose Long Covid
Das hat natürlich dazu geführt, dass sehr viel in einen Topf geworden wird.
Es gibt Menschen, die nach einer schweren Infektion Schäden von zum Beispiel Herz und Lunge entwickeln.
Bei anderen entsteht eine schwere Erschöpfbarkeit, die ME/CFS ähnelt.
Wieder andere berichten von Symptomen, die einer depressiven Verstimmung nahe kommen.
Was davon ist jetzt Long Covid?
Notwendigkeit einer besseren Definition von Long Covid
Die Frage der Definition ist nicht trivial. Von der Ursache hängt es letztendlich auch ab, wie die Behandlung und die Prognose ausschauen.
Ein großes Problem ist, dass die Routinediagnostik oft unauffällig ist. Dies hat dazu geführt, dass von psychosomatischen Ursachen gesprochen wird.
Psychosomatik beschäftigt sich mit der Wechselwirkung von Psyche und Körper. Das bedeutet nicht, dass man sich Beschwerden einbildet. Es bedeutet daber sehr wohl, dass bei diesem Konzept von Erkrankung angenommen wird, dass es keine wesentliche körperliche Ursache für die Beschwerden gibt.
Ist Long Covid psychosomatisch?
Nun gibt es bereits sehr viele Studien, die auf Auffälligkeiten in vielen Organsystemen hinweisen. Das Problem dabei: diese Schäden sind mit der verfügbaren Routinediagnostik oft nicht fassbar.
Gerade aktuell gibt es eine neue Studie, die eine Abklärung des Herzens bei Long Covid gemacht hat. Ergebnis: es ist soweit alles in Ordnung.
Aber: es wurde nur eine sehr basale Diagnostik gemacht – Herzultraschall, Labor.
Studien mit Lücken
Ähnliches gibt es zum Beispiel auch aus der Neurologie: eine recht ausführliche Routinediagnostik erbrachte meist nichts wegweisendes.
Oder eine Studie mit einer doch recht ausführlichen internistischen Routinediagnostik: ebenfalls unauffällig.
Alle 3 Studien werfen mehr oder weniger deutlich die Frage auf, ob Long Covid deswegen psychosomatisch sein könnte.
Wichtiger Faktor: Dysautonomie
Alle 3 Studien haben aber eine weitere Gemeinsamkeit: sie haben Dysautonomie nicht evaluiert.
Dysautonomie ist eine Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems. Dafür typische Symptome beschrieben die Betroffenen in allen Studien. Basale Untersuchungen wie beispielsweise ein Schellong-Test oder der COMPASS31 wurden aber nicht gemacht.
Das ist nicht per se ein Problem, auch wenn es mittlerweile sehr viel Literatur gibt, die auf Dysautonomie bzw. posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) bei Long Covid hinweist.
Ein paar Beispiele hier, hier, hier und hier.
Dysautonomie bei Long Covid darf nicht übersehen werden!
Es ist aber durchaus problematisch, diese Limitationen in der Diskussion der Studie nicht zu erwähnen.
Zu schnell kommt man nämlich sonst zur kognitiven Abkürzung, dass eine unauffällige Routinediagnostik gleichbedeutend damit ist, dass es keine somatische Pathologie gibt.
Die Psyche spielt natürlich eine wesentliche Rolle, und es gibt auf jeden Fall psychosomatische Erkrankungen, die Long Covid ähneln können.
Umso wichtiger wäre es, auch in Studien sauber zu differenzieren – oder zumindest darauf hinzuweisen, dass das Ergebnis diese Abgrenzung nicht darstellen kann.