Coronavirus und neurologische Erkrankungen
Aufgrund der aktuellen Pandemie mit dem neuartigen Coronavirus herrscht aus verständlichen Gründen Verunsicherung. Eine wichtige Frage ist auch der Zusammenhang Coronavirus und neurologische Erkrankungen.
Es ist wichtig hervorzuheben, dass eine Infektion für die allermeisten Menschen keine wesentlichen Probleme verursacht. Die aktuell getroffenen Maßnahmen dienen vor allem dazu, Menschen mit einem höheren Risiko für Komplikationen zu schützen.
Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus nur in schweren Fällen zu neurologischen Komplikationen führt.
Coronavirus und neurologische Erkrankungen – ein häufiges Problem?
Auf den ersten Blick scheint das viel. Es gibt jedoch zahlreiche Einschränkungen dieser Studie.
Es wurden diese Betroffenen nicht neurologisch untersucht, die Symptome wurden den Krankenakten entnommen. Zusätzlich war die untersuchte Gruppe hospitalisiert, hatte also eher schwerere Verläufe.
Viele der hier hineingenommenen Beschwerden, wie Kopfschmerz, beeinträchtigtes Bewusstsein, Erschöpfung müssen nicht spezifisch für eine Schädigung der Nervensystems sein sondern können auch bei einer Systemerkrankung als Begleiterscheinung auftreten.
Coronavirus und zerebrovaskuläre Erkrankung
Mittlerweile ist klar, dass es durch die entzündlichen Vorgänge im Rahmen der Infektion zu Problemen mit der Blutgerinnung kommen kann.
In einer Fallserie von 1683 Patient*innen kam es bei 1,4% zu Schlaganfall oder Hirnblutung. Ursache scheint hier vor allem eine verstärkte Gerinnung zu sein.
Der Einfluss der teilweisen massiven Entzündungsreaktion auf solche Ereignisse wurde auch in einem anderen Artikel herausgearbeitet.
Coronavirus und neurologische Komplikationen – was ist der aktuelle Stand?
Auch nach bisher 54 Millionen bestätigten Fällen gibt es noch keine klaren Hinweise, dass das Coronavirus regelmäßig das Nervensystem schädigt.
In einer Studie wurde gezeigt, dass bestimmte Marker, die auf eine Schädigung der Nervenzellen hinweisen können, auch bei milden Verlaufsformen erhöht sind.
Hier sind aber noch viele Fragen offen. Es wurden für diese Studien keine MRTs oder neurologischen Untersuchungen durchgeführt. Somit ist unklar, ob bei den Patient*innen neurologische Auffälligkeiten vorhanden waren. Es ist auch nicht untersucht, ob sich diese Marker im Verlauf wieder ändern.
Ebenso kann man nicht sagen, ob es sich dabei um eine direkte oder indirekte (z.B. im Rahmen eines Sauerstoffmangels) Schädigung handelt. Zusätzlich gibt es auch keinerlei Studien (außer bei HIV), die diese Marker auch bei anderen Virusinfekten untersucht haben – man weiß also nicht, ob dass ein für Sars-Cov-2 einzigartiger Mechanismus ist.
Wenige Fallberichte „echter“ neurologischer Erkrankungen
Es gibt im Verhältnis zu den bestätigten Fällen von COVID19 bisher nur relativ wenige Fallberichte von „echten“ neurologischen Erkrankungen, wie einer hämorrhagischen Encephalitis, einer Meningitis, Hirnnervenentzündungen, einem Guillain-Barré-Syndrom oder einer Hirnstammencephalitis.
Ob das neuartige Coronavirus das Nervensystem befällt, muss noch untersucht werden. Die oben geschilderten Erkrankungen sind jedenfalls oft als ein postinfektiöses, immun-mediiertes Geschehen zu interpretieren. Eine Untersuchung der Gehirnflüssigkeit, in der Viren, die das Nervensystem befallen, normalerweise nachgewiesen werden können, war ohne klaren Hinweis auf SARS-CoV-2.
Eine Fallserie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, berichtet von neurologischen Auffälligkeiten wie Verwirrtheit und diffuser Schädigung der motorischen Bahnen bei zwei Drittel der beschriebenen Patient*innen. Diese hatten alle einen schweren Verlauf mit Betreuung an einer Intensivstation.
Eine in der MRT nachweisbare Veränderung im Gehirn, die sich aber wieder zurückbildete, wurde zuletzt bei einer Patientin beschrieben.
Datenlage noch nicht klar
Bei Patient*innen, bei denen auch das Gehirnwasser untersucht wurde, konnte SARS-CoV2 mittels einer PCR nicht nachgewiesen werden. Es bleibt somit auch hier offen, ob die beschriebenen Symptome durch eine direkte Schädigung durch das Virus oder im Rahmen der schweren Systemerkrankung auftreten.
Ein aktueller Bericht über im Rahmen von Autopsien untersuchten Gehirnen beschreibt mögliche durch das Virus verursachte Schäden, vor allem im Hirnstamm. Dies muss aber noch weiter untersucht werden. Es besteht jedenfalls die theoretische Möglichkeit, dass ein Befall des Hirnstamms in schweren Fällen zum Atemversagen beiträgt.
Natürlich ist es möglich, dass das neuartige Coronavirus zu Erkrankungen aus dem Bereich der Neurologie führen kann. Die Faktenlage, dass dies durch eine direkte Schädigung des Nervensystems durch das Virus passiert, ist im Moment aber trotzdem wohl eher dürftig. Dies wurde auch zuletzt in einer Arbeit bestätigt – die Entzündungsreaktion verursacht wohl in den meisten Fällen die neurologischen Symptome, nicht das Virus direkt selbst.
Eine gute Zusammenfassung des aktuellen Wissenstandes findet sich in JAMA Neurology.
Chronische Erschöpfung als Folge von COVID19?
Man wird aber auf jeden Fall auf mögliche Folgeerscheinungen der COVID19-Pandemie achten müssen – chronische Erschöpfung, teilweise auch im Sinne eines Chronic Fatigue Syndrome, war zumindest bei SARS häufig.
Lange Verläufe, die mit Erschöpfung einhergehen, kommen jedenfalls auch bei COVID19 vor. Dies wird zuletzt immer mehr thematisiert.
Es treten auf jede Fall bei langen Verläufen immer wieder Symptome auf, die für eine Störung des autonomen Nervensystems sprechen. Dies wurde auch zuletzt wieder in einem Artikel in JAMA bestätigt. Interessant sind hier die Überschneidungen zu ME/CFS.
GMX hat mich zuletzt für einen Artikel zum Thema „Long Covid“ befragt.
Warum ist Coronavirus und neurologische Erkrankungen relevant?
Darüberhinaus hat das Thema Coronavirus und neurologische Erkrankungen eine besondere Relevanz.
Viele Betroffene fallen nämlich alleine durch ihr Alter in die Gruppe derjenigen, die durch eine Infektion ein größeres Risiko für einen schweren Verlauf haben.
Zusätzlich sind beispielsweise bei Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, sehr oft auch jene Risikofaktoren vorhanden, die einen schweren COVID19-Verlauf wahrscheinlicher machen. Dazu zählen hoher Blutdruck, Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes.
Wichtig ist es, eine aktuelle Liste an momentan notwendigen Medikamenten sowie eine Auflistung der vorhandenen Vorerkrankungen bereit zu haben, um im Notfall die Arbeit des medizinischen Personals und die Versorgung zu erleichtern.
Erhöhtes Riskio bei Coronavirus und eingeschränkter Mobilität
Menschen, die an einer neurologischen Erkrankung leiden, sind in manchen Fällen auch in ihrer Mobilität beeinträchtigt. Besonders bei jenen, die ihre Zeit hauptsächlich in Bett oder Rollstuhl verbringen, besteht aufgrund der dadurch schlechteren Belüftung der Lunge ein höheres Risiko für Atemwegsinfektionen.
Zusätzlich kann bei manchen neuromuskulären Erkrankungen, beispielsweise der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) oder Muskelerkrankungen, auch die Atemmuskulatur geschwächt sein. Daher haben auch diese Menschen ein höheres Risiko.
Wie kann man sich schützen?
Wesentlich ist das Verhindern einer Infektion. Dazu ist es sinnvoll, Sozialkontakte zu reduzieren. Weiters sollte Kontakt mit Menschen mit Infektzeichen vermieden werden. Darüber hinaus sollte auf regelmäßiges Händewaschen geachtet werden. Das Tragen einer Maske ist notwendig, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.
Häufig sind regelmäßige medizinische Routinekontrollen geplant. Deswegen muss entschieden werden, ob diese zum aktuellen Zeitpunkt wirklich notwendig sind. Idealerweise kann eine Kontrolle auch per Telemedzin erfolgen. Dazu hat die österreichische Gesundheitskasse die Möglichkeit geschaffen.
Multiple Sklerose
Bei Menschen, die an einer Multiplen Sklerose erkrankt sind, stellt sich auch die Frage, ob die laufende Therapie fortgesetzt werden kann. Einige verwendete Medikamente können die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen.
Prinzipiell gilt, dass eine Therapie weiter geführt werden sollte, da es ansonsten zu Schüben kommen kann. Die meisten Medikamente, wie Copaxone oder Interferone, sind unbedenklich.
Jedoch sollten Menschen, die Fingolimod/Gilenya, Siponimod/Mayzent, Cladribin/Mavenclad, Rituximab, Ocrelizumab/Ocrevus, Alemtuzumab/Lemtrada, Mitoxantron und Cyclophosphamid verwenden, besondere Vorsicht zur Infektvermeidung anwenden.
Zuletzt kann Cortison zur Behandlung eines akuten Schubes die Infektgefahr erhöhen.
Aktuelle Ratschläge der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie finden Sie hier.
Chronic Fatigue Syndrome
Da CFS prinzipiell ein schlecht untersuchtes Gebiet ist, kann hier keine endgültige Antwort gegeben werden. Erstens berichten aber viele Betroffene, dass Infekte ihren Zustand zusätzlich, teilweise auch langfristig verschlechtern.
Zweitens besteht oft zumindest klinisch eine Infektanfälligkeit, in vielen Fällen auch ein konkreter Immundefekt.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass Menschen mit CFS besonders Sorge tragen sollten, eine Infektion zu vermeiden.
Hier finden Sie dazu Informationen der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS.
Epilepsie
ERN EpiCARE hat eine Stellungnahme zu COVID19 und Epilepsie veröffentlicht.
Die wesentlichen Punkte:
Epilepsie erhöht nicht das Risiko einer Infektion. Dies wurde auch zuletzt in einer Studie bestätigt.
Es gibt keinen Hinweis, dass das Coronavirus epileptische Anfälle auslösen kann.
Bei manchen Formen der Epilepsie kommt es bei Fieber zu Anfällen. Hier müssen im Falle einer Infektion entsprechende fiebersenkende Maßnahmen gesetzt werden.
Falls zusätzlich zur Epilepsie noch andere Risikofaktoren für einen schweren COVID19-Verlauf vorhanden sind oder wenn eine Einschränkung der Mobilität besteht, müssen Infektionen umso mehr vermieden werden.
Myasthenia gravis
Für die Myasthenia gravis gibt es sehr konkrete Empfehlungen der International MG/COVID-19 Working Group.
Laufende Therapien sollten unbedingt fortgesetzt werden. Mestinon erhöht das Risiko für eine Infektion nicht.
Bei Behandlungen, durch die das Immunsystem unterdrückt wird, sollte besonders auf Infektvermeidung geachtet werden.
Wenn eine Therapieänderung notwendig wird, muss der mögliche Nutzen gegen ein eventuell gesteigertes Infektionsrisiko abgewogen werden.
Neuromuskuläre Erkrankungen
Auch die World Muscle Society hat eine Anleitung für den Umgang mit COVID-19 bei neuromuskulären Erkrankungen.
Es gilt auch hier, dass alle Patient*innen mit entsprechenden Risikofaktoren und insbesondere einer eingeschränkten Mobilität oder Problemen mit der Atemmuskulatur besonders auf die Vermeidung einer Infektion achten sollten.
Physiotherapie sollte in der momentanen Situation vor allem bei Betroffenen mit hohem Risiko nicht stattfinden. Trotzdem ist die Empfehlung, bei den behandelnden Therapeut*innen Ratschläge zum eigenständigen Üben einzuholen.
Laufende Behandlungen, auch solche, die das Immunsystem beeinträchtigen oder für die ein Arztkontakt (Infusion) notwendig ist, sollten im Normalfall weiterlaufen. Besonders vor einem plötzlichen Absetzen von Cortison muss abgeraten werden.
Die notwendigen Medikamente und, falls erforderlich, auch die Möglichkeit einer Atemunterstützung sollten auch für einen längeren Zeitraum vorhanden sein.
Morbus Huntington
So wie viele neurologische Erkrankungen erhöht auch der Morbus Huntington nicht prinzipiell das Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus.
Aber auch hier gilt es, dass Betroffenen, die in der Mobilität eingeschränkt sind, eine Infektion vermeiden sollen.
Die European Huntington Association hat auf ihrer Seite ein paar allgemeine Ratschläge.
Morbus Parkinson
Morbus Parkinson erhöht das Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus nicht grundlegend.
Es sollten aber, auch aufgrund des oft höheren Lebensalters und der vielfach eingeschränkten Mobilität, Maßnahmen zur Infektvermeidung getroffen werden.
Falls eine Infektion auftritt, sollte bei Zustandsverschlechterung rasch ärztliche Hilfe eingeholt werden.
Nachdem bei Parkinson vor allem im Spätstadium oft eine Demenz vorhanden sein kann, gelten die im nächsten Abschnitt angeführten Punkte ebenfalls.
Demenz
Menschen mit Demenz sind von den aktuellen Einschränkungen durch COVID19 besonders betroffen.
Einerseits zählen sie durch ihr Alter zur Gruppe mit hohem Risiko.
Andererseits gibt es einige Aspekte der Erkrankung, die die momentane Situation besonders schwer machen.
Viele Betroffene leben in Pflegeeinrichtungen, wo ein Besuch durch Angehörige nicht möglich ist. Notwendige Arztbesuche sind oft nicht durchführbar. Durch die Krankheit bedingt ist auch das Verständnis für die momentanen Maßnahmen in vielen Fällen nicht vorhanden.
Die European Academy of Neurology hat auf ihrer Homepage einige Ratschläge parat, wie man die zur Zeit notwendigen Umstände besser bewältigen kann.
Wesentlich ist es, trotz aller Umstände einen möglichst geregelten Tagesablauf zu wahren. Bewegung ist wichtig und sollte vor allem im häuslichen Rahmen erfolgen. An Demenz erkrankte Menschen sollten weiterhin so gut wie möglich in Aktivitäten des täglichen Lebens eingebunden werden.
Regelmäßige Anrufe durch Angehörige sind ebenso sinnvoll wie das Bereitstellen von alten Fotos oder Liedern, um eine möglichst gewohnte Atmosphäre zu schaffen.
Für das Einhalten der notwendigen Hygiene ist in vielen Fällen auch eine regelmäßige Anleitung notwendig. Es muss auch beachtet werden, dass demenzkranke Menschen Infektionssymptome möglicherweise nicht korrekt kommunizieren können.
Wie wird die Coronavirus-Pandemie in meiner Ordination gehandhabt?
Beide Standorte sind in Übereinstimmung mit den geltenden Empfehlungen weiterhin geöffnet – dies gilt auch für den neuen Lockdown ab 17.11.2020!
Die Hygiene wird umso mehr eingehalten. Dies bedeutet, dass ich auf Händeschütteln verzichte. Händewaschen und regelmäßige Desinfektion sind ohnehin schon Standard. Beim Anamnesegespräch wird der Abstand von 2 Meter eingehalten. Der Ordinationsraum wird regelmäßig gelüftet.
Bitte tragen Sie entsprechend der Verordnung in der Ordination einen Mund-Nasen-Schutz und waschen oder desinfizieren Sie sich beim Betreten die Hände. Entsprechend den aktuellen Regelungen trage ich durchgehend eine FFP2-Maske.
Für meinen Ordinationsraum gibt es im Facharztzentrum Votivpark einen eigenen Wartebereich, sodass auch hier gewährleistet werden kann, dass nur minimaler oder gar kein Kontakt mit anderen Menschen notwendig ist.
Für das Verhindern einer Verbreitung des neuartigen Coronavirus sind Einschränkungen im Alltagsleben notwendig. Damit werden Risikogruppen vor schwerwiegenden Verläufen geschützt.
Verfügbarkeit meiner Ordination
Dennoch ist eine medizinische Versorgung auch abseits von COVID19 notwendig. Meine Ordination bleibt daher bis auf weiteres für Sie geöffnet – Montag 8-14 Uhr, Dienstag 9-15 Uhr und Mittwoch 9-19 Uhr in 1090 Wien, jeden zweiten Donnerstag 8:30 bis 17:30 in 2070 Retz.
Auch Erstkonsultationen sind aktuell per Telemedizin gestattet. Ich biete dies schon längere Zeit an und habe eine entsprechende datensichere Videoleitung.
Telemedizin eignet sich besonders gut für all jene Fragestellungen, wo eine Geräte-basierte Untersuchung (Ultraschall, NLG) vor Ort nicht zwingend notwendig ist. Dazu gehören z.B. Kopfschmerzen und das Chronic Fatigue Syndrome. Im Normalfall verwende ich die Telemedizin aber nur für Kontrolltermine.
Letzte Aktualisierung: 14.11.2020