Long Covid

Long Covid Update 2

Long Covid als unterschätzes Problem

Long Covid wird oft belächelt und angezweifelt, kommt in der Diskussion kaum vor. Ich fürchte, dass viele noch sehr überrascht sein werden von dem, was dank der hohen Inzidenz der letzten Wochen auf uns zukommen wird.

Wir vergessen das 4te G – grauslich chronisch krank.

Bezüglich Studien zur Häufigkeit ist viel Luft nach oben. Das waren vorwiegend Fragebögen, die unspezifische Symptome erhoben haben, oft ohne Kontrollgruppe.

Wie häufig ist Long Covid?

Es hat sich aktuell ein Wert von ca. 10% der Betroffenen eingependelt, die 6 Monate später noch Probleme haben.

Das entspricht spannenderweise dem, was man auch von anderen viralen Erkrankungen kennt, ganz ohne LongLockdown.

Eine pathopysiologische Zuordnung gelingt bei den aktuellen Studien nicht, wobei diese einen Symptomcluster beschreibt, der an Dysautonomie denken lässt.

Dysautonomie als Ursache?

Dysautonomie ist bei vielen Betroffenen wesentlich beteiligt.

Leider löst Unkenntnis über mögliche Ursachen für diese Fehlfunktion des autonomen Nervensystems meist den „Kenn i ned – gibts ned“-Reflex aus.

Das behindert natürlich Diagnosestellung und Therapie.

Mögliche Gründe für Dysautonomie sind Autoimmunreaktionen oder eine Small Fiber Neuropathie.

Wie ist der Verlauf?

Was passiert mit den Betroffenen? Auch hier gilt, die Daten sind ausbaufähig.

Ca. 40% der Menschen mit Long Covid sind nach ca. 7 Monaten nicht oder reduziert arbeitsfähig.

Aus meiner klinischen Erfahrung kann ich sagen, dass es viele gibt, die dank Home Office und/oder Aufgabe jeglicher Freizeit- und Sozialaktivität die Arbeit gerade so bewältigen können.

Ist das genesen? Hat das eine mittel- bis langfristige Perspektive?

Chronifizierung zu ME/CFS

Fehlendes Pacing kann bei vorhandener Post Exertional Malaise zu ME/CFS führen.

Hier sind ca. 25% haus- oder bettgebunden, ca. 70% nicht arbeitsfähig.

Die Prognose von Recovery bei ME/CFS ist schlecht.

Die Probleme mit dem Pacing betreffen Kinder und Jugendliche mit Long Covid genauso, auch wenn hier klarerweise wesentlich besser Daten zur Häufigkeit her müssen.

Die Schule ist jedenfalls auf Bedürfnisse von Menschen mit ME/CFS nicht vorbereitet, diese Erfahrungen kann ich auch bei Long Covid bestätigen. Dazu kommt, dass Pacing auch sozialer Aktivitäten gerade für Kinder und Jugendliche besonders schwer ist.

Long Covid macht einige Betroffene abhängig von Hilfe.

Long Covid wirkt sich auf das psychische Wohlbefinden aus, auch wenn es natürlich keine psychosomatische Erkrankung ist, die man sich ergoogelt, wie das manchmal von Leuten, die Covid19 eher locker sehen, in den Raum geworden werden. Klarerweise sind psychische Faktoren eine Differentialdiagnose, die bei Vorliegen auch entsprechend behandelt werden müssen.

Versorgung und Akzeptanz von Long Covid sind, wie von ME/CFS gewohnt, weiterhin schlecht.

Was tun bei Long Covid?

Und das muss rasch geändert werden! Bezüglich ausreichender medizinischer Versorgung wurde nämlich nicht vorgesorgt. Deswegen hier ein paar generelle Hinweise.

Natürlich ist eine internistische/lungenfachärztliche Abklärung bei anhaltenden Symptomen wesentlich. Machen Sie auch einen NASA Lean Test. Dieser Test kann auch zu Hause gemacht werden! Viele Betroffene haben Probleme mit der Kreislaufregulation.

Wenn der Puls im Stehen um mehr als 30 Schläge ansteigt und/oder der Blutdruck um mehr als 20mmHg abfällt und Sie begleitend Symptome wie Schwindel, Übelkeit, Schwarzwerden vor den Augen haben, besprechen Sie das mit Ihrem/Ihrer Hausärzt*in. Es könnte ein POTS vorliegen.

POTS bedeutet posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom und kann die Leistungsfähigkeit deutlich reduzieren. Es wurde bei Long Covid häufig beschrieben.

Oft sind nicht-medikamentöse Therapien hilfreich (mehr Wasser, mehr Salz, Kompressionswäsche). Auch medikamentöse Optionen sind vorhanden.

Wesentlich ist Pacing

Wenn es zu einer Verschlechterung des Zustandes nach oft banaler körperlicher oder kognitiver Aktivität kommt, könnte eine Post Exertional Malaise (PEM) vorliegen. Dann ist Pacing der wesentlichste Aspekt – Aktivität in dem Rahmen, wo keine Verschlechterung eintritt.

PEM ist auch ein Kennmerkmal von ME/CFS. Pacing ist gegen unsere Intuition, aber der wesentlichste Bestandteil der Therapie bei Long Covid. Man kann sich da nicht drüber zwingen. Auch die ÖGAM betont das in ihren Leitlinien.

Mehr Infos über das Pacing hier.

Mastzellenaktivierungssyndrom

Achten Sie darauf, ob es zu Problemen mit der Verdauung, Juckreiz, Schmerzen, Flushing, Unverträglichkeit von Histamin kommt. Es könnte ein Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) vorliegen. Das ist weitgehend unbekannt, kann aber leicht ergoogelt werden.

Es gibt zur medikamentösen Therapie bei Long Covid viele off-label Ansätze, die oft aber nicht immer funktionieren. Wenn Ihre/Ihr behandelnd*e Ärzt*in dem aufgeschlossen ist, habe ich das von mir oft mit gutem Effekt verwendete Schema zusammengeschrieben. Der Kontakt sollte bei Interesse direkt über Ihre*n behandelnde*n Ärzt*in erfolgen, da ich konkrete Therapieempfehlungen nur an Kolleg*innen übermitteln darf.

Das sind keine individuellen Therapieempfehlungen. Es muss immer mit der/dem Hausärzt*in besprochen werden! In meiner Erfahrung kommt es bei vielen Betroffenen mit der Zeit zu einer Besserung. Ob das einer vollkommenen Genesung entspricht, kann ich nicht bei allen sagen.