Pacing

Pacing

Pacing bei Post Exertional Malaise

Pacing ist ein Konzept, das bisher ein Schattendasein gefristet hat. Durch Covid19 und dessen häufige Folge Long Covid ist es aber deutlich stärker in den Fokus gerückt.

In den vor kurzem von der ÖGAM veröffentlichten Leitlinien für Long Covid nimmt Pacing erfreulicherweise einen wesentlichen Platz ein.

Das wird hoffentlich vielen Betroffenen helfen, Langzeitfolgen von Long Covid wie ME/CFS zu verhindern.


Was ist Pacing?

Pacing bezeichnet das Konzept, Aktivität nur in dem Ausmaß durchzuführen, wo es nicht zu einer Verschlechterung des Zustandes kommt. Diese sogenannte Post Exertional Malaise, wo es nach Überanstrengung zu einer deutlichen Verstärkung vorbestehender Symptome wie Erschöpfung, Krankheitsgefühl oder Schmerzen kommt, ist ein typisches Merkmal oft postinfektiöser Erkankungen wie ME/CFS.

Das Problem ist, dass dieses Konzept gegen die Intuition ist. Wir erleben ständig, dass Training und Anstrengung uns weiter bringen. Bei den meisten Erkrankungen ist Trainingstherapie sinnvoll und gut.

Bei ME/CFS und Long Covid ist aber genau das Gegenteil der Fall. Geht man über die oft sehr engen Grenzen, wird man bestraft.


Wie funktioniert Pacing?

Pacing ist sehr individuell. Es geht darum zu erkennen, wo die persönlichen Leistungsgrenzen liegen. Im Rahmen dieser Grenzen ist Aktivität aber auf jeden Fall sinnvoll und gut, auch wenn es natürlich Betroffene gibt, die so schwer betroffen sind, dass auch minimale Tätigkeiten wie Körperpflege oder Essen zu viel sein können.

Vor allem bei körperlicher Aktivität kann die Herzfrequenz als Orientierung verwendet werden. Man setzt hier 60% der anaeroben Schwelle als Pulsgrenze an, wenn dieser Wert überschritten wird, sollte eine Pause gemacht werden.

Berechnen kann man dies wie folgt: 60% von 220 minus Lebensalter. Dieser Wert ist natürlich nicht definitiv, kann aber für ein Herantasten hilfreich sein. Generell sollte beobachtet werden, welche Aktivitäten zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz führen und dann nach Möglichkeiten zur Erleichterung gesucht werden – beispielsweise Kochen im Sitzen oder Verwendung eines E-Rollers.

Auch ein erhöhter Ruhepuls in der Früh kann auf Überanstrengung am Vortag hinweisen. Insofern kann das Führen eines Aktivitätstagebuchs oder die Verwendung eines Schrittzählers hilfreich sein.


Schwierigkeit Kognition

Schwieriger ist Pacing bei kognitiver Aktivität. Hier ist die Herzfrequenz oft nicht hilfreich.

Man sollte beachten, dass auch Tätigkeiten wie Fernsehen oder Beantworten von Textnachrichten eine kognitive Aktivität darstellen. Das ist auch deswegen wichtig, weil in den Pausen von körperlicher Aktivität dann auf diese Dinge verzichtet werden sollte.

Die Beobachtung, ab welcher Dauer kognitive Aktivität zu Symptomen führt, kann helfen. Wenn man beispielsweise bemerkt, dass nach 30 Minuten Arbeit am PC Symptome auftreten, bringt es oft einen Vorteil, schon nach 20 Minuten eine Pause zu machen.

Überhaupt ist es eine Empfehlung, sich Aktivitäten zu portionieren. Insgesamt schafft man dann ein größeres Pensum, als wenn versucht wird, sich über die Grenzen zu zwingen, um eine Sache zu Ende zu bringen.


Warum ist Pacing schwer?

Vielen Betroffenen fällt Pacing schwer. Das hat sicher damit zu tun, dass es eben für viele Menschen gegen die eigene Erfahrung läuft, dass es ein Nachteil sein kann, sich zu pushen.

Es sollte auch nicht vergessen werden, dass dabei auch schlechtes Gewissen mitschwingt. Das Umfeld muss den Ausfall kompensieren, man kann der Arbeit nicht nachgehen, man kann den eigenen Anteil nicht bringen.

Dazu ist Fatigue mit einem Stigma behaftet. Viel zu oft besteht noch die Einstellung, dass Menschen mit Erschöpfung „crazy or lazy“, also verrückt oder faul, sind. Dadurch besteht vor allem zu Beginn viel Unverständnis auch von den engsten Bezugspersonen.

Pacing ist auch im Alltag außerhalb der Familie schwer umzusetzen. In der Arbeitssituation kann oft sehr wenig Rücksicht auf die Notwendigkeit von Pausen genommen werden. Oft ist schon der Anfahrtsweg zur Arbeit zu viel. Insofern kann für viele Betroffene Home Office sehr hilfreich sein, da dabei die Pausenplanung leichter fällt und auch der Arbeitsweg nicht dabei ist.


Mehr Infos

Pacing ist erfreulicherweise auch in den Long Covid-Leitlinien der ÖGAM fest verankert. Für ME/CFS ist es schon lange empfohlen.

Ich durfte zuletzt einen Podcast gestalten, den Sie hier sehen können:

Covid-19 InfoTalk: Pacing (Dr. Michael Stingl) from InfoTalk Eu on Vimeo.

Anita Groß hat ihn für Medonline zusammengefasst.

Weitere gute Tipps zum Pacing finden Sie bei CFS Self Help und Long Covid Physio.