Überdiagnostik

Überdiagnostik

Die moderne Medizin ist eine Apparatemedizin. Teilweise auch aus Gründen der Absicherung wird stark auf bildgebende Verfahren oder Labortests zurückgegriffen. Dies ist in manchen Fällen sinnvoll, kann aber auch zu Überdiagnostik führen.

Was ist Überdiagnostik?

Als Überdiagnostik wird die Diagnose eines Zustandes bezeichnet, der bei Nichtentdecken keine Symptome oder Schäden verursacht hätte. Das Bestreben, Erkrankungen möglichst früh zu erkennen um eine möglichst rasche Behandlung zu ermöglichen, führt in Kombination mit immer besser auflösenden bildgebenden Verfahren auch dazu, dass immer niederschwelliger Auffälligkeiten entdeckt werden.

Lungeninfarkt wird mittlerweile zum Beispiel immer häufiger diagnostiziert, ohne dass sich jedoch insgesamt etwas an der Gesamtsterblichkeit geändert hat. Durch verbesserte Screening-Verfahren wird auch wesentlich häufiger Krebs gefunden. Jedoch ist nicht jede Krebserkrankung gleich aggressiv. Beim Prostata-Krebs beispielsweise, der oft bei älteren Männern auftritt und sehr langsam voranschreitet, gibt es eine Diskussion, wie viele festgestellte Karzinome eigentlich als Überdiagnose zu bezeichnen sind.

Welche Folgen hat Überdiagnostik?

Die Auswirkung von Überdiagnostik sind weitreichend. Neben der Gefährdung durch unnötige Untersuchungen, beispielsweise durch Röntgenstrahlung, kann auch eine Übertherapie negative Folgen haben. Dazu muss auch die psychische Belastung durch eine unnötig gestellte Diagnose berücksichtigt werden.

Überdiagnostik in der Neurologie

Überdiagnostik ist natürlich auch in der Neurologie ein Thema. MRTs sind beispielsweise wesentlich leichter verfügbar und werden wesentlich häufiger zugewiesen als früher. Dazu wird auch die Auflösung der Geräte immer besser. Gerade bei jungen Menschen mit Kopfschmerzen, aber auch bei Personen mit unerklärbaren Symptomen, wird oft routinemäßig eine Bildgebung des Gehirns durchgeführt. Dabei finden sich oft Auffälligkeiten, die aber nicht zwingend mit den Symptomen zusammenhängen.

Eine Studie bei Menschen zwischen 18 und 35 Jahren ohne medizinische Probleme ergab bei etwa einer von zehn Untersuchungen eine Auffälligkeit. Diese hatten aber letztendlich nur extrem selten eine Bedeutung.

Wichtig in diesem Kontext ist auch das Radiologisch Isolierte Syndrom (RIS). So werden Veränderungen im Gehirn bezeichnet, die für eine Multiple Sklerose sprechen, jedoch ohne klinischer Symptomatik. Nur drei von zehn Menschen, bei denen ein RIS festgestellt wird, entwickeln im weiteren Verlauf eine klinische Multiple Sklerose.

Auch bei Rückenschmerzen wird in der klinischen Praxis oft eine Bildgebung angeordnet. Dies ist laut Leitlinie eigentlich nur in besonderen Fällen notwendig. In Abwesenheit von neurologischen Ausfällen ist der Nutzen beispielsweise einer MRT fraglich. Es finden sich auch bei Menschen ohne Rückenschmerzen sehr oft Veränderungen der Wirbelsäule und der Bandscheiben.

Deswegen sind die sorgfältige Erhebung der Vorgeschichte sowie die genaue körperliche Untersuchung sehr wichtig. Beide haben in der Neurologie traditionell einen wichtigen Platz.

In meiner Ordination habe ich ausreichend Zeit, um Ihren Beschwerden klinisch auf den Grund zu gehen und dadurch zielgerichtete weitere Untersuchungen zu empfehlen!